Das Rittergut

vom Ortschronisten Achim Berger

Mit dem Bau der ersten Steinburg Bieberstein und der dörflichen Besiedlung um 1150 erfolgte bald auch die Rodung weiterer Waldflächen für landwirtschaftliche Zwecke zur Versorgung der eigenen Bewohner aber auch der in und um Freiberg wachsenden Bevölkerung durch den aufblühenden Silberbergbau. Während bis zum 13.Jahrhundert die Burgherren in erster Linie dem Markgrafen noch zu Kriegsdiensten verpflichtet waren, kümmerten sie sich ab dem 14.Jahrhundert vorrangig um die landwirtschaftliche Bewirtschaftung ihrer Güter. In Bieberstein dürfte das mit den Herren von Maltitz begonnen haben, die Anfang 1300 nach denen von Bieberstein für etwa 100 Jahre die neuen Besitzer der Burg geworden waren. Wahrscheinlich war die landwirtschaftlich genutzte Fläche damals nicht so groß wie in den späteren Jahrhunderten bis 1945, sondern wie bei anderen Rittergütern auch, wurden die Flächen besonders durch das sog. Bauerlegen um 1500 wesentlich vergrößert.

Blick zum Wirtschaftshof (Verwaltergebäude, Stallungen), Ansicht von 1916

Nach einer Erhebung von 1877 gab es in der Amtshauptmannschaft Meißen noch 55 Rittergüter mit einer durchschnittlichen Größe von 200 ha. Das Rittergut Bieberstein war mit Besitzungen in Krummenhennersdorf mit 484 ha das zweitgrößte Rittergut im Meißner Bezirk. Während es in Sachsen ab dem 17.Jahrhundert zunehmend auch bürgerliche Rittergutsbesitzer gab, waren es in Bieberstein stets adelige Besitzer, wenn auch die letzte adelige Besitzerin, eine geb. von Winckler, mit dem bürgerlichen Hans Görg verheiratet war.

Um das Rittergut landwirtschaftlich nutzen zu können, bestand neben der Burg bzw. dem Schloss ein Wirtschaftshof mit Stallungen, Scheunen und Verwalter-/ Pächtergebäude so wie er in Bieberstein als Dreiseitenhof noch relativ gut erhalten ist. Meist nach Bränden mussten diese Gebäude wiederholt neu aufgebaut werden, wie man es an den Schlusssteinen noch erkennen kann, so das Verwaltergebäude 18121 und der Pferdestall 1862. Neben dem Wirtschaftshof  gab es noch im Ort eine Schäferei, weitere Scheunen und massive Silos. Die Schweine waren im Burkersdorfer Vorwerk untergebracht. Der Wald wurde vom Rittergutsförster verwaltet. Neben der klassischen Feld- und Viehwirtschaft erfolgte auf den Rittergütern oft auch schon eine Verarbeitung und Vermarktung der Erzeugnisse. So gehörte zum Rittergut Bieberstein früher eine Brauerei und bis 1945 eine Brennerei. Die normalen Feld- und Tierprodukte wurden zur erweiterten Selbstversorgung noch durch Erzeugnisse aus dem herrschaftlichen Terrassengarten und einer Orangerie ergänzt.

Die Einkommen der Rittergutsbesitzer aus der landwirtschaftlichen Nutzung machten etwa 60 Prozent der Gesamteinnahmen aus. Die Rittergutsbesitzer waren meist noch Staatsbeamte oder kirchliche Würdenträger mit entsprechenden Einkünften. Von den Biebersteiner Rittergutsbesitzern war wohl Gotthelf Friedrich von Schönberg am Dresdner Hof mit den höchsten staatlichen und kirchlichen Ämtern betraut oder C.L. Haubold von Schröter war Domherr zu Wurzen. Oft haben die Rittergutsbesitzer deshalb ihre Güter verpachtet und konnten sich damit auch den täglichen  Problemen einer ganzheitlich zu führenden Großlandwirtschaft entziehen. Für den Rittergutsbesitzer war das ein vergleichsweise sicheres Geschäft, da er zu einem Festpreis die jährliche Pacht einnahm, während die Pächter doch sehr von den wetterabhängigen Ernten oder anderen ungünstigen Umständen abhängig waren und so in wirtschaftliche Not geraten konnten. Offenbar eine solche Notlage führte in Bieberstein dazu, dass sich der Rittergutspächter Mierisch 1859 mit seiner Frau das Leben nahm2.

Landarbeiter mit Verwalter bei der Roggenernte 1932

Das Rittergut bestand bis 1945. Mit der Verordnung der Landesverwaltung Sachsen vom 12.09.1945 über die Durchführung der Bodenreform wurden alle Besitzer von Gütern mit einer Fläche größer als 100 ha entschädigungslos enteignet. Das betraf in Bieberstein das Rittergut. Das Rittergut wurde nach der Flucht der letzten Besitzer vom damaligen Verwalter, meinem Vater Albert Berger, bis zum Abschluss der besonders in dieser Zeit wichtigen  Ernten weiter geführt. Im Oktober erfolgte die Verteilung von 415 ha Rittergutsland an 84 Bewerber mit Hofgrößen zwischen 5 und 6 ha. Diese waren eigentlich nicht hinreichend wirtschaftlich, so dass Ende der 1950iger Jahre durch Bildung von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) die Flächen zuzüglich solcher von Privatbauern wieder zu Großflächen zusammengefasst wurden und so mit Großmaschinen effektiv bearbeitet werden konnten. Gleichzeitig wurde damit auf dem Lande die Abschaffung des ungewünschten größeren Privatbesitzes vollzogen.  Am 1. April 1960 wurde für Bieberstein das vollgenossenschaftliche Dorf verkündet. Die LPG’s wurden später zu noch größeren, arbeitsteiligen Kooperativen zusammengefasst. Da entsprechend dem Einigungsvertrag (Zwei-plus-Vier-Vertrag) von 1990 die Bodenreform nicht unmittelbar rückgängig gemacht werden konnte, werden die ehemaligen Rittergutsflächen heute von verschiedenen Erwerbern bewirtschaftet. Die zentralen Rittergutsgebäude befinden sich in Privathand und sind im Vergleich zu Reinsberg in einem recht guten Zustand. Sie sind mit dem Schloss als Sachgesamtheit ein Kulturdenkmal im Freistaat Sachsen.

Türschlussstein am Verwaltergebäude

Anmerkungen:

  • Die Inschrift auf dem Türschlussstein über der Tür des Verwaltergebäudes: „L.u.E. – S. – 1812“ steht für: “Ludwig und Erdmuthe von Schröter 1812“, 1807 ging das Rittergut Bieberstein in Schröterischen Besitz über durch Heirat von Erdmuthe von Schönberg.
  • Kurznachricht über den Selbstmord am 1.10.1859 im „Nossener Anzeiger“, Nr. 40 v. 7.10.1859.

Achim Berger